Katja Wichser IEF

«Familien in der Krise unterstützen.»

2020 startet die neue Weiterbildung «Sozialpädagogische Familienbegleitung» unter der Leitung von Marianne Egloff,
Verantwortliche für den Bereich «Elterncoaching» im IEF. Im Gespräch erläutert sie die wesentlichen Inhalte und die Besonderheiten des neuen Angebots.

 

Was zeichnet diese neuntägige Weiterbildung aus?
Die Weiterbildung ist vor allem eine pragmatisch-praktische Arbeitsunterstützung für die sozialpädagogische Familienbegleitung. Sie vermittelt das spezifische Know-how, das für diese Tätigkeit notwendig ist. Die Teilnehmenden erhalten fundierte Einblicke in verschiedene Themenfelder, die ihnen dabei helfen sollen, komplexe Familiengebilde und Situationen besser verstehen zu können. Wir geben ihnen aber auch neues Fachwissen, systemisch und ressourcen- orientierte Techniken und Methoden an die Hand, die ihnen dabei helfen, Familien in der Krise so zu unterstützen, dass sie wieder Orientierung finden, Handlungskraft erhalten und ihren Alltag sicher bewältigen können. Gleichzeitig lernen sie, nicht nur die einzelnen Familienmitglieder, sondern auch ihre eigenen Ressourcen zu stärken. Die Dozenten*innen sind sehr erfahren und bringen ganz unterschiedliche berufliche Hintergründe und Ressourcen mit. Das ist mir sehr wichtig. Mit dieser Interdisziplinarität möchte ich den sozialpädagogischen Blickwinkel bewusst öffnen und erweitern.

Was ist deine Motivation, am IEF diese Weiterbildung anzubieten?
Die sozialpädagogische Familienbegleitung gewinnt zunehmend an gesellschaftlicher Bedeutung. Der Akzent wird heute mehr in der Stärkung von belasteten Familien statt in der Fremdplatzierung von Kindern gesetzt. So ist der Kanton Zürich aktuell daran, das
Gesetz über die Kinder- und Jugendheime neu zu formulieren. Im Gespräch mit vielen Akteuren in die- sem Feld habe ich festgestellt, dass eine spezifische, praxisorientierte Qualifikation für die sozialpädagogische Familienbegleitung, die sowohl niederschwellig als auch inhaltlich hochwertig ist, im Grossraum Zürich bisher fehlt.

Das IEF, sozusagen das Mutterhaus der Systemik in der Schweiz, ist sicher der ideale Anbieter für diese Weiterbildung. Ohne systemische Sichtweise ist eine Familienbegleitung undenkbar, und so ist sie auch ein Paradebeispiel für Einsatzgebiete der systemischen Methodik. In der Familienbegleitung sollen alle Beteiligten einbezogen werden, Vernetzungsarbeit ist zentral.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden in der Weiterbildung gesetzt?
Bei der Konzeption dieser Weiterbildung habe ich versucht, die Inhalte auf fünf zentrale Fragestellungen zu konzentrieren. Der erste Punkt ist sicher die Frage nach der eigenen Rolle. Geht es um Begleitung auf Augenhöhe oder um Dienstleistung oder um beides? Was ist meine Rolle in der Familie und wie kommuniziere ich sie? Wie schaffe ich den Spagat zwischen Nähe und Distanz? Ein zweiter Schwerpunkt dreht sich um die Komplexität. Oftmals sind die Baustellen der zu begleitenden Familie so zahlreich, dass man sogar als Fachperson den Überblick zu verlieren droht. Wie kann ich in der Arbeit mit sogenannten Multiproblemfamilien die Themen effizient eingrenzen und gleichzeitig den Blick fürs Ganze behalten? Von grosser Bedeutung sind auch die folgenden zwei Frage- stellungen: Wie kann es gelingen, ein wackeliges Familiensystem so zu stabilisieren, dass es wieder ‹gut genug› ist, um dem Kind eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen? Wie erkenne ich Sucht- und psychi- sche Erkrankungen oder Traumata und wie reagiere ich situationsgerecht? Und, last but not least: Wie bleibe ich als Fachperson bei dieser herausfordernden Arbeit selbst mental stark und gesund?

An wen richtet sich dieses Angebot?
Die Weiterbildung richtet sich an Fachpersonen aus dem sozialen, pädagogischen oder medizinischen Bereich, die in der Familienbegleitung arbeiten möchten. Und natürlich an diejenigen, die bereits in diesem Berufsfeld tätig sind und ihre Handlungskompetenz erweitern und festigen wollen. Voraussetzung ist auf jeden Fall ein tertiärer Abschluss.

Wie unterscheidet sich diese neue Weiterbildung von der seit vielen Jahren erfolgreichen IEF-Weiterbildung in Elterncoaching?
Beim Elterncoaching geht es, wie man vom Begriff Coaching ableiten kann, um unterstützende Massnahmen und verschiedene Formen der Elternarbeit, die alle in einem freiwilligen Kontext und ausserhalb der Familie stattfinden. Bei der sozialpädagogischen Familienbegleitung hingegen geht es um eine aufsuchende Familienarbeit, die behördlich angeordnet werden kann, um Familien mit mehreren, sich überlagernden Problemlagen längerfristig zu Hause begleiten zu können.

 

Marianne Egloff ist Familienmediatorin und Erziehungscoach und am IEF Bereichsleiterin für Elterncoaching.

 

Das Gespräch mit Marianne Egloff ist publiziert im IEF-Magazin Nr. 10, Frühling 2020.